Aber ist es nicht etwas zu kurz gedacht, auszuschließen, dass das Arbeiten im digitalen Modell im Laufe der Zeit nicht nur die Praxis des architektonischen Entwerfens, sondern auch das Denken von Architektur selbst, die Vorstellung, verändern wird?

Es ist eine Arbeit für Kunsthistoriker, die Auswirkungen der Erfindung der Perspektive in der Renaissance in ihrem ganzen Ausmaß auf die Architekturgeschichte aufzuzeigen. Und weil auch hier Technik – die Zeichentechnik der perspektivischen Darstellung –, Denken – das neue Bild des Menschen in der Renaissance und sein Verhältnis zum Raum – und Architektur – die Realität der gebauten Umwelt im 15. Jahrhundert – zusammenkommen, ja miteinander verzahnt sind, ist es eine komplexe Arbeit.

Vielleicht öffnet das digitale Modell, der virtuelle Raum, den es schafft, eine Lücke. Eine Lücke zwischen Vorstellung und Sprache. Ein Ort, in den sich Vorstellung gleichsam auslagern lässt, noch sprachlos, auf den mit den Mitteln der Sprache, auch von dritter Seite, zugegriffen werden kann. Aber das kann ein Trugschluss sein.

Zumindest im Vergleich mit der Erfindung der Perspektive, deren Wert wir heute nicht geringschätzen können – sie hat das Modell als Darstellungsform nicht verdrängt, sondern ergänzt –, lässt sich feststellen, dass das digitale Modell den Sprachschatz an Darstellungsmöglichkeiten der Vorstellung architektonischer Räume beträchtlich erweitert. Es verfügt über hohe Eigenschaften der Vermittelbarkeit.

Und damit verschiebt das digitale Modell in gewisser Weise die Grenze zwischen Vorstellung und Sprache ein ganzes Stück in Richtung Vorstellung.

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